Im Zusammenhang mit der aktuellen Auslieferung der BR 44
durch KM 1 wird deutlich, dass das Gelieferte nicht in allen Fällen den
Erwartungen des Kunden entspricht:
KM-1 BR44
Die dort sichtbare Problematik betrifft nicht allein diese
Baureihe, sondern das Problem der Vorbestellung von äußerst komplexen Produkten
(hier: Spur 1-Modellen) überhaupt.
Es scheint mir sinnvoll zu sein darüber nachzudenken, wie
ein Auseinanderfallen von Hersteller-Handeln und Kunden-Erwartungen möglichst
verhindert werden kann. Das dürfte sowohl im (wirtschaftlichen) Interesse des
Produzenten als auch im Interesse des Kunden und der Freude am Hobby liegen.
Ganz auf die Schnelle geht das allerdings nicht, so dass
diese Thread-Eröffnung etwas ausführlicher ausfallen muss.
Problem-Aufriss
Gerade bei KM 1 werden viele Varianten von Modellen
angeboten und mit großem Engagement produziert, um uns Käufern eine große
Auswahl an Ausführungen bieten. Das ist positiv, wird entsprechend geschätzt
und durch Bestellungen honoriert.
Schwierig wird es dann, wenn der Kunde nicht genug Klarheit
darüber gewinnen kann, was er bestellt, oder wenn er meint, diese Klarheit zu
haben, dann aber etwas anderes erhält als er erwarten musste oder konnte.
Problem-Beispiele
Bei der Diskussion zur BR 44 (siehe Link oben) geht es u.a.
darum, dass eine bestimmte Ausführung mit ÜK-Führerhaus geliefert wird, obwohl
dieses spezielle Führerhau beim vielfach gezeigten Handmuster nicht verbaut ist
und es auch in der Artikelbeschreibung nicht angegeben ist (im Gegensatz zu
zwei anderen Ausführungen, bei denen ein Erscheinen mit ÜK-Führerhaus
ausdrücklich angekündigt wird.
Unabhängig davon, ob das ÜK-Führerhaus für die betreffende
Betriebsnummer nach dem Vorbild richtig ist, gibt es Enttäuschungen bei
Modellbahnern, die nach dem Handmuster und der Beschreibung eine BR 44 mit
normalem Führerhaus erwartet haben.
Bei einer ÜK-Ausführung der BR 44 ist zum Vorbestellzeitraum
und jahrelang danach als Anstrichfarbe ausdrücklich „Eisengrau RAL 7011“
angegeben gewesen. Nun wird die Lok offenbar im dunkleren Schwarzgrau
ausgeliefert. Für die gewählte Betriebsnummer wäre aber wohl das ursprünglich
angekündigte Eisengrau richtig gewesen. Wer also eine eisengraue Lok wollte,
wird nun enttäuscht sein, wer eine einem konkreten Vorbild entsprechende Lok
will, dem kann vielleicht mit dem Anbringen der Betriebsnummer einer etwas
später fertig gestellten Lok geholfen werden. In jedem Fall ergeben sich für
alle Beteiligten zusätzliche Aufwände, und Missstimmungen bleiben nicht aus.
Im Januar 2016 gab es eine Debatte zu fehlenden DB-Keksen
auf den Seiten des Modells der Diesellok 220 039:
Beschriftung rote DB V200 in Ep4
Praktisch alle Triebfahrzeuge der klassischen DB-Baureihen trugen auf den
Seiten außer der Betriebsnummer entweder den Schriftzug „DEUTSCHE BUNDESBAHN“ oder
den DB-Keks. Bei den sechs DB-Ausführungen der V200/220 von KM 1 ist in
der Prospekt-Beschreibung entsprechend entweder die eine oder die andere
Variante ausdrücklich angegeben (auf den Fronten haben alle sechs Ausführungen
kleine DB-Kekse, ohne dass dies gesondert erwähnt wird). Auf praktisch allen
bekannten Fotos, die die Seiten der 220 039 und der V200/220 zeigen, ist
der Schriftzug oder der Keks erkennbar. Darf man, nachdem das Problem der
fehlenden Kekse an einer Modellausführung dem Hersteller bekannt ist, dieses
Modell kommentarlos einem Kunden schicken, der eine typische Lok der Epoche IV erwartet, also
eine mit den großen Keksen auf den Seiten?
Nun ist dieses Problem noch relativ leicht zu lösen, aber
Freude entsteht nicht, wenn man ein Spur1-Modell auspackt und daran ein
auffälliges, typisches Merkmal des Originals fehlt.
Die rechtliche Frage
Der auch auf den Auftragsbestätigungen vorhandene Hinweis: „Technische
und optische Änderungen vorbehalten“ ist kein umfassender Freibrief, er dürfte bei
rechtlicher Prüfung einseitig (also ohne ausdrückliche Rücksprache und Einigung
mit dem Kunden) nur zu Änderungen in Punkte führen, die nicht ausdrücklich im Text des Vertrags
(Auftragsbestätigung) festgehalten sind.
Aber es kann nicht sinnvoll sein, auf unsichere, aufwändige (und
nur Rechtsanwälte erfreuende) rechtliche Auseinandersetzungen zu setzen. Stattdessen
ist zu überlegen, wie Vorbildauswahl, Modellgestaltung und Kundenbestellung so
gestaltet werden können, dass Missverständnisse, Fehler und Reibungen möglichst
vermieden werden.
Lösungsansätze
Modellvarianten werden in starkem Maße danach ausgewählt, zu
welchen Vorbildern gut brauchbare, aussagekräftige Bilder und Materialien zur
Verfügung stehen.
Bei der Bestellung der 94 1025 vom Bw Freudenstadt, laut KM 1-Prospekt
im „Zustand 1966“, fand ich sehr schnell im Netz dieses Bild (Aufnahmedatum
1966-07-29):
http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/l…rydet2044.shtml
Ich gehe davon aus, dass genau dieses Foto eine wesentlich Grundlage
der Modellgestaltung sein wird. Damit bin ich ‑ zusätzlich zum
Beschreibungstext ‑ gut im Bilde darüber, was ich zu erwarten habe (Form der
Kohlenkastenerhöhung, Schriftzug „DEUTSCHE BUNDESBAHN“ auf den Seiten, …).
Es wäre also wünschenswert, bei der Bestellung eine
möglichst klare Entscheidungsgrundlage zu haben. Das können verlinkte Bilder
sein. Es können – falls urheberrechtliche Gründe gegen ein Zeigen der Bilder
sprechen ‑ auch Hinweise auf Bilder in
Büchern sein (mit genauer Quellenangabe, aber auch mit entsprechender verbaler
Beschreibung der wichtigeren Merkmale). Fehlen Bilder, auf die verwiesen werden
kann, bleibt – wie bisher – allein die Beschreibung der Hauptmerkmale in Form
und Farbe; diese sollten aber zum Zeitpunkt der Ausschreibung so gründlich
ermittelt sein, dass sie als gesichert gelten können.
Die US-Firma Atlas, die – deutlich weniger detaillierte –
Modelle in den Maßstäben N, H0 und 0 liefert, kündigt ihre Modelle bei der
Aufforderung zur Vorbestellung immer mit computergenerierten Bildern an. Dort
in den USA geht es vorrangig um die sich immer wieder verändernden Farbschemata
für die vielen verschiedenen Bahngesellschaften, aber auch um bestimmte
Formvarianten. In dem firmeneigenen Modellbahnforum, das über viele Jahre
betrieben wurde, wurde Atlas immer mal wieder auf Unstimmigkeiten und Fehler
hingewiesen. Diese frühzeitigen Hinweise (die heute – nicht mehr öffentlich - immer
noch erfolgen dürften) wurden ausdrücklich und dankbar aufgegriffen und – nach entsprechender
Prüfung – berücksichtigt.
Auf diese Weise verlagert Atlas die Modellkritik auf
einen Zeitpunkt, zu dem Fehler noch beseitigt werden können.
Patentrezepte kann ich nicht liefern, aber ich bin
überzeugt, dass meine Vorschläge in eine Richtung weisen, die möglichen
Verdruss bei Herstellern und Kunden vermindern und verhindern helfen.
Es grüßt
Karl Schotter